Smart Meter und dynamische Stromtarife
Schwankende Stromerzeugung und Flexibilisierung des Verbrauchs
Der zeitliche Verlauf der Stromerzeugung wird in der Zukunft bestimmt sein von fluktuierender Erzeugung durch Wind- und Solarkraftwerke. Weht kein Wind oder scheint keine Sonne, werden verschiedene Speichertechnologien Strom zur Verfügung stellen. Gespeichert wird Strom zunächst genau wie heute in Pumpspeicherwerken; hinzu kommen Großbatteriespeicher , die Einbindung von Autobatterien in das Stromnetz sowie die Rückverstromung von Wasserstoff, welcher in Kavernen speicherbar ist und eingesetzt werden kann, wenn die anderen Erzeugungs- und Speichertechnologien nicht ausreichen, um den Bedarf zeitgleich zu decken.
Öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland im Januar 2024
Quelle: Energy-Charts (2024a)
Während auch 2024 noch Kohle- und Gaskraftwerke im Winter „dem Verbrauch hinterherfahren“ werden in Zukunft eine deutlich höhere regenerative Stromerzeugung und Kurzzeitspeicher die Notwendigkeit des betriebs von Verbrennungskraftwerken mehr und mehr zurückdrängen.
Im Sommer dominiert nicht der Windstrom, sondern der Strom aus Photovoltaik. So lässt sich z.B. am Lastgang der deutschen Stromversorgung im Mai 2024 gut erkennen, dass jeden Mittag die Photovoltaik hohe Lastspitzen produziert. Teilweise werden mit dem Strom aus Photovoltaik (gelb) die Pumpspeicher (blau) gefüllt, die dann einmal am frühen Abend und einmal am frühen Morgen einen Teil der jeweiligen Verbrauchsspitzen abdecken können. Deutlich wird auch, dass die Erdgaskraftwerke (orange), Steinkohlekraftwerke (dunkelgrau) und sogar Braunkohlekraftwerke (hell-graubraun) dem Bedarf fast täglich ein wenig hinterherfahren.
Öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland im Mai 2024
Quelle: Energy-Charts (2024b)
Mit dem weiteren Ausbau der Photovoltaik wird die Spitzenstromerzeugung durch Photovoltaik in Zukunft noch deutlich größer werden. Pump- und Batteriespeicher werden überschüssige Strommengen in die Nacht verschieben. Zusätzlich werden Haushalte und Unternehmen durch intelligentes Energiemanagement ihren Bedarf in die Tagesstunden verschieben, z.B. durch das Laden von Elektrofahrzeugen während der Sonnenstunden, aber auch dadurch, dass die Wärmepumpe den Heißwasserspeicher tagsüber auflädt. Durch sogenannte dynamische Stromtarife wird sich dies Verhalten für die Haushalte auszahlen. Durch diese Tarife könnte auch erreicht werden, dass das Stromnetz in begrenztem Umfang Zugriff auf Strommengen in den Autobatterien erhält und auch diese Energie zur Stabilisierung des Stromnetzes eingesetzt werden kann.
Strom aus Photovoltaik steht besonders um die Tagesmitte zur Verfügung. Der Börsenpreis für Netzstrom wird in Zukunft Sommer in den Abendstunden bis etwa 24 Uhr besonders hoch sein, nachts auf niedrigem Niveau stabil und um die Mittagszeit besonders niedrig. Durch die zunehmende Integration von Großbatterien werden sich die Preisunterschiede reduzieren.
Durchschnittlicher Preisverlauf eines Tages mit und ohne Großbatteriespeicher
Quelle: Frontier Economics (2023)
Die Flexibilisierung des privaten Stromverbrauchs würde dazu führen, dass große Strommengen besonders dann verbraucht werden, wenn das Angebot an Strom hoch und der Preis niedrig ist. Drei Anwendungen sind für die Flexibilisierung besonders geeignet:
- Das Elektroauto, welches durch ein automatisches Stromverbrauchsmanagement bevorzugt nachts oder mittags geladen würde, je nachdem, wann es ans Stromnetz angeschlossen ist.
- Die Wärmepumpe, die in der Übergangszeit das Haus nachts billiger heizen würde als tagsüber, was bei gut isolierten Gebäuden kein Problem ist, da sie nur sehr langsam auskühlen. Außerdem könnte mittags nochmals „nachgeheizt“ werden.
- Der Stromspeicher, der im Sommer durch die Photovoltaikanlage tagsüber gefüllt wird und im Winter preiswerten Nachtstrom speichern und so den Verbrauch des teuren Abendstroms reduzieren könnte.
Aber wie ist die Flexibilisierung des Stromverbrauchs im Haushalt umzusetzen?
Welche Technik ist für flexiblen Verbrauch und die Nutzung dynamischer Tarife erforderlich?
Was gehört eigentlich alles dazu, ein Haus auf eine moderne Stromversorgung mit möglichst flexibler Stromnutzung und möglichst viel Eigenstrom umzustellen?
Komponenten für Stromerzeugung und variable Nutzung und ihre Kosten
Quelle: Borderstep auf Basis von Daten der Website nachhaltiges-zuhause.de (2024) und eigener Recherchen, Fotos Clausen, Bosch, Ra Boe / Wikipedia und Ewald Bedachungen
Den eigenen Strom erzeugen die Photovoltaikmodule auf dem Dach oder in Mietwohnungen eine Balkonsolaranlage. Dieser Strom kann entweder in einer Batterie gespeichert oder durch den Wechselrichter ins Hausstromnetz eingespeist werden, wo er dann durch Verbraucher im eigenen Haushalt genutzt oder ins das Stromnetz eingespeist wird.
Die Steuerung findet durch einen „Energiemanager“ statt, was eigentlich nur ein kleiner Computer ist, dem man Aufgaben gibt und der dann, weil er immer wach ist und nichts anderes zu tun hat, hoffentlich zuverlässig die richtigen Dinge zur richtigen Zeit an und abschaltet. Außerdem fragt er im Internet regelmäßig nach den aktuellen und für den morgigen Tag zu erwartenden Strompreisen.
Die Entscheidung, ob Strom zum Aufladen der Batterie genutzt oder ins Netz eingespeist wird, fällt der Energiemanager in Abhängigkeit vom Börsenstrompreis. Wird ein variabler Stromtarif genutzt, wird der Energiemanager auch selbsttätig bei sehr niedrigen Strompreisen die Batterie füllen und den Strom aus der Batterie auch selbständig dann wieder ins Netz verkaufen, wenn die Strompreise gerade hoch sind. Im Sommer kann z.B. über in den Mittagstunden regelmäßig die Batterie geladen werden, so dass sich das Haus abends, wenn der Strom teurer ist, mit dem über den Tag gespeicherten Solarstrom versorgt. Wird deutlich mehr Strom eingespeichert, als abends benötigt wird, kann ein Teil des Stroms auch abends zu guten Preisen verkauft werden. Für alle diese Aktivitäten ist sowohl ein Smart-Meter, ein variabler Stromtarif wie auch ein Energiemanager erforderlich.
Nicht alle diese Komponenten sind für jeden wirklich nützlich. Ein Stromspeicher lohnt sich z.B. eigentlich nur, wenn auch eine nicht zu kleine Solaranlage vorhanden ist. Mit der Kostendifferenz zwischen Strom vom Dach und Strom aus dem Netz kann man genug „Geld verdienen“, um den Speicher zu bezahlen. Die deutlich kleineren Unterschiede zwischen den Börsenpreisen machen es schwer, den Speicher zu amortisieren. Außerdem lohnt sich die ganze Anlage umso mehr, je mehr Anwendungen im Haushalt elektrifiziert sind: Ein oder zwei Elektroautos und eine Wärmepumpe sind die großen Abnehmer, die es auch attraktiv machen, sich um optimale Strompreise zu kümmern.
In Zukunft werden Ladeeinrichtungen für Elektroautos genauso wie Wärmepumpen zunehmend von den Netzbetreibern lastabhängig gesteuert werden. Dieses Recht wurde ihnen von der Bundesnetzagentur (2024) zugestanden und mit der Auflage verbunden, den Anschluss solcher Geräte zukünftig nicht mehr ablehnen zu dürfen:
Die Netzbetreiber dürfen … den Bezug für die Dauer der konkreten Überlastung auf bis zu 4,2 kW senken. Damit können Wärmepumpen weiter betrieben und E-Autos in aller Regel in zwei Stunden für 50 Kilometer Strecke nachgeladen werden. Der reguläre Haushaltsstrom ist davon nicht betroffen.
Ein gewisses Maß an Flexibilisierung des Verbrauchs wird sich also in Zukunft schon aufgrund dieser Vorschrift in den Haushalten einstellen. Die dazu nötige Technik, also Smart Meter und Endgeräte, die mit ihnen kommunizieren können, werden sich verbreiten. Durch den Kauf eines Energiemanagers und den Abschluss eines Stromliefervertrages mit variablem Tarif können diese Eirichtungen dann auch zur Senkung der Stromkosten eingesetzt werden.
Die Auswirkungen auf die Kosten und das Stromnetz
Dynamische Stromtarife sind in Deutschland bisher kaum verbreitet. Erfahrungen mit solchen Tarifen sind daher auch noch nicht empirisch dokumentiert. Bjørndal et al. (2023) haben aber in Norwegen herausgefunden, dass von 438 Nutzenden von Elektroautos die Gruppe, die Smart Charging mit dynamischen Stromtarifen nutze, im Durchschnitt für ihren Fahrstrom 18 % weniger bezahlte als diejenigen, die dies nicht taten. Zusammenfassend zeigt die Untersuchung von Bjørndal et al. (2023), dass die Strategie des intelligenten Ladens zu Hause:
- für die Besitzer von Elektrofahrzeugen wirtschaftlich günstiger ist;
- zu einem gleichmäßigeren Energieverbrauchsmuster der Gesellschaft insgesamt beiträgt, da das Laden der Elektroautos von den abendlichen Spitzenstunden des Stromverbrauchs auf nächtliche Stunden mit meist geringeren Stromverbrauch verlagert wird;
- die Netzbetreiber so sowohl weniger Spitzenleistung bereithalten müssen als auch der Netzausbau weniger aufwendig und damit preiswerter ist.
Perspektivisch sparen die Endnutzer noch einmal bei den Gebühren für die Netznutzung, da ja der Aufwand für die Netzbetreiber niedriger ausfällt.
Eine weitere Studie untersucht die Frequenzregelung von Klimaanlagen in Abhängigkeit von dynamischen Echtzeit-Strompreisen in intelligenten Netzen (Hu, Xiao, Jørgensen & Wang, 2019). Eine solche Reglung kann den durchschnittlichen Stromverbrauch in Spitzenlastzeiten im Vergleich zu konventionellen Reglern um 17,31 % bis 38,86 % senken und die ganztägigen Stromkosten um 0,42 % bis 22,16 % reduzieren. Auch hier finden wir einen Effekt der Netzentlastung in Verbindung mit einer Kostensenkung.
In ihrer Studie zu Energiearmut in den USA finden Pereira und Marques (2023), dass variable Strompreise das Potenzial bieten, die Energiearmut zu reduzieren, da die Stromkosten sinken. Als ersten Schritt sehen sie die Diffusion von sogenannten Time of Use Tarifen (ToU) als möglich an, bei denen der Strompreis in festen Stunden unterschiedlich hoch ist, z.B. nachts niedriger als tagsüber. Noch wirksamer könnte Real Time Pricing (RTP) sein, bei dem der Strompreis sich z.B. entlang der day-ahead Börsenpreise entwickelt. Hier sehen sie aber Hemmnisse durch risikoaverse Konsumenten, denen die Volatilität solcher Preise Angst machen könnte, ein Gedanke, der auch durch Dütschke und Paetz (2013) bereits geäußert wurde. In jedem Falle bestätigen die Untersuchungen von Pereira und Marques (2023) die grundsätzliche Möglichkeit, durch variabel Strompreise die Energiekosten zu senken.
Die Arbeiten von Hofmann und Lindberg (Hofmann & Lindberg, 2024a, 2024b) deuten zusätzlich darauf hin, dass eine effektive Reaktion der Haushalte zur Realisierung von Lastverschiebung in Phasen höherer Verfügbarkeit von Strom der Automatisierung bedarf und besonders dann funktioniert, wenn große steuerbare Verbraucher wie ein Elektroauto vorhanden sind.
Und was wäre, wenn das jeder machen würde?
Würden alle Haushalte durch Elektrifizierung deutlich mehr Strom verbrauchen als heute und sich gleichzeitig bemühen, den Stromverbrauch so intelligent wir möglich über den Tag zu verteilen, dann würde dies in erster Linie die Netzausbaukosten reduzieren. Denn der Aufwand für den Stromnetzausbau ist weniger von der Strommenge abhängig, die transportiert wird, als von der höchsten Leistung, die abgerufen wird. Geringere Netzausbaukosten würden sich auf die Netzgebühren auswirken, die dann nicht so stark steigen würden, wie es sonst zu erwarten wäre.
Gleichzeitig können die Haushalte durch Flexibilisierung des Verbrauchs und variable Stromtarife ihre Stromkosten senken. Auch hier spiegeln sich Einsparungen im Stromnetz. So müssen z.B., wenn auch nachts mehr Strom verbraucht wird, zu dieser Zeit keine Windkraftwerke abgeschaltet werden. Dadurch sinken die Kosten der Netzbetreiber, die den Windkraftbetreibern sonst Entschädigungen zahlen müssen. Sinkt wiederum der Verbrauch zu Zeiten mit hoher Last, dann sinkt auch die Menge Strom, die zukünftig z.B. aus teurem Wasserstoff gewonnen werden muss. Auch hier sinken die Erzeugungskosten, was indirekt dann auch den Haushalten zugutekommt.
Alle diese Wirkungen sind recht indirekt und gegenwärtig noch nicht im Detail abschätzbar.
Quellen
Bjørndal, E., Bjørndal, M., Kjerstad Bøe, E., Dalton, J. & Guajardo, M. (2023). Smart home charging of electric vehicles using a digital platform. Smart Energy, 12, 100118. https://doi.org/10.1016/j.segy.2023.100118
Bundesnetzagentur. (2024). Integration steuerbarer Verbrauchseinrichtungen. Zugriff am 6.7.2024. Verfügbar unter: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Aktuelles_enwg/14a/start.html
Clausen, J., Altermatt, P. P., Beucker, S., Gerhards, C. & Linow, S. (2024). Niedersachsen und die E-Fuels. Berlin. Zugriff am 16.5.2024. Verfügbar unter: https://www.borderstep.de/wp-content/uploads/2024/05/Niedersachsens-Efuels-2024.pdf
Dütschke, E. & Paetz, A.-G. (2013). Dynamic electricity pricing—Which programs do consumers prefer? Energy Policy, 59, 226–234. https://doi.org/10.1016/j.enpol.2013.03.025
Energy-Charts. (2024a). Öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland im Januar 2024. Zugriff am 10.6.2024. Verfügbar unter: https://www.energy-charts.info/charts/power/chart.htm?l=de&c=DE&interval=month&month=01&source=entsoe
Energy-Charts. (2024b). Öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland im Mai 2024. Zugriff am 10.6.2024. Verfügbar unter: https://www.energy-charts.info/charts/power/chart.htm?l=de&c=DE&interval=month&month=05
Frontier Economics. (2023). Der Wert von Großbatteriespeichern im Deutschen Stromsystem. Berlin. Zugriff am 22.6.2024. Verfügbar unter: https://www.frontier-economics.com/de/de/nachrichten-einblicke/news/news-article-i20441-der-wert-von-grossbatteriespeichern-im-deutschen-stromsystem/#
Hofmann, M. & Lindberg, K. B. (2024a). Residential demand response and dynamic electricity contracts with hourly prices: A study of Norwegian households during the 2021/22 energy crisis. Smart Energy, 13, 100126. https://doi.org/10.1016/j.segy.2023.100126
Hofmann, M. & Lindberg, K. B. (2024b). Evidence of households’ demand flexibility in response to variable hourly electricity prices – Results from a comprehensive field experiment in Norway. Energy Policy, 184, 113821. https://doi.org/10.1016/j.enpol.2023.113821
Hu, M., Xiao, F., Jørgensen, J. B. & Wang, S. (2019). Frequency control of air conditioners in response to real-time dynamic electricity prices in smart grids. Applied Energy, 242, 92–106. https://doi.org/10.1016/j.apenergy.2019.03.127
nachhaltiges-zuhause.de. (2024, März 14). Kosten für eine PV-Anlage (2024): Studie mit echten Angebots-Daten schafft bessere Vergleichbarkeit. Zugriff am 14.6.2024. Verfügbar unter: https://www.nachhaltiges-zuhause.de/kosten-pv-anlage
Pereira, D. S. & Marques, A. C. (2023). Are dynamic tariffs effective in reducing energy poverty? Empirical evidence from US households. Energy, 282, 128848. https://doi.org/10.1016/j.energy.2023.128848